Stimmungsvolle Gegenlichtaufnahmen bei trübem Wetter

[Aktualisiert am 13.03.2016] Was tun, wenn die Sonne als Gegenlicht fest eingeplant ist, diese sich aber partout hinter einer dicken Wolkendecke versteckt?

Hochzeitsshooting in Herrstein 2014, (c) Markus Holzhäuser

Die Ausgangssituation

Es war 8 Uhr morgens. Noch 3 Stunden Zeit bis zur Trauung. Damit das Hochzeitsshooting möglichst effizient ablaufen und in maximal eins bis zwei Stunden erledigt sein sollte, hatten wir eine Woche vorher ein Probeshooting gemacht. Gleiche Uhrzeit, gleicher Ort, damit wir in Bezug auf Sonnenstand und Schatten mit keiner unerwarteten Überraschung rechnen mussten. Diese Sorgen waren letztlich unbegründet. Denn von der Sonne war weit und breit nichts zu sehen. Vom Licht mag ich es für Porträtfotos eigentlich lieber bewölkt, als direktes Sonnenlicht mit seinen harten Schatten und Kontrasten, da ich dann bei Bedarf das Hauptlicht einfach mit Blitz und Lichtformer setzen kann. Aber in diesem Fall, wo das Brautpaar vor einer von Pflanzen und Blumen eroberten rustikalen Steinmauer stand, wäre die Sonne als Gegenlicht (wie beim Probeshooting) nicht schlecht gewesen!

Die Lösung

Also nehme ich einen Systemblitz, montiere vor das Blitzglas eine orangefarbene Folie und stelle diesen auf eine hohe Blitzleistung. Den Blitz richte ich so aus, dass er hinter den Modellen direkt in die Kamera leuchtet.

Gegenlicht mit Blitz - www.MarkusFotografiert.de

Damit es möglichst realistisch wirkt, positioniere ich den Blitz von der Kamera aus betrachtet möglichst vor der gerade nicht sichtbaren Sonne. Das Ergebnis ist ein warmer Lichtnebel von oben und ein schönes Streiflicht, das sich um die Haare und Schultern des Pärchens und das Dekolleté der Braut legt. Vergleichbar mit klassischen Gegenlichtaufnahmen – realisiert mit einem Blitzgerät.

Gegenlichtaufnahmen bei trübem Wetter, (c) Markus Holzhäuser

(1) Aufnahme ohne Blitz,      (2) Aufnahme mit Blitz,      (3) Finales Bild mit Lens Flares

Die Position

Wenn das Gegenlicht auf dem finalen Foto nicht als ausgebrannter, weißer Fleck erscheinen soll, empfehle ich Dir, den Blitz am oberen (evtl. auch seitlichen) Bildrand zu positionieren. Direkt beim Fotografieren oder später in der Bildbearbeitung schneidest Du das Blitzgerät einfach am Rand etwas weg. So sparst Du Dir Retuschearbeit. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass der Lichtkreis eines Systemblitzes eher rechteckig ist als rund und im Vergleich zur Sonne, aufgrund seiner Nähe, womöglich zu groß erscheint.

Die Blitzhalterung

Der Blitz und seine Halterung sollten im finalen Bildausschnitt möglichst nicht oder zumindest nur wenig zu sehen sein. Insofern kannst Du Dir viel Retuschearbeit sparen, wenn Du den Blitz am richtigen Stativ aufhängst. Insbesondere dann, wenn Du mehrere Fotos einer Reihe entwickelst. Ein Galgenstativ, an dem der Blitz von oben nach unten ins Bild ragt ist hier die richtige Wahl! Aufgrund der Erfahrungen des Probeshootings hatte ich leider nur ein gewöhnliches gerades Lampenstativ und einen Boomstick (Teleskopstange) dabei. Den Blitz hat meine Assistentin mit dem Boomstick schön ins Bild gehalten, aber dennoch sieht man auf jedem Foto leider das Metallrohr in der oberen rechten Ecke. Die Retusche war entsprechend zeitraubend.

Die Farbfolie

Die auf- bzw. untergehende Sonne hat bekanntlich einen eher orangefarbenen Ton. Um dies zu simulieren habe ich vor den Blitz eine sogenannte Full CTO Farbfilterfolie gemacht. CTO steht hier für Color Temperature Orange. Die Filter gibt es in verschiedenen Stärken und senken die Farbtemperatur des Blitzlichts. Die Stärke wird in Bruchteilen angegeben (1/1 CTO, 1/2 CTO, etc.). Full CTO entspricht 1/1 und senkt die Farbtemperatur von 6500K auf 3200K. Beachte: Je kleiner der in Kelvin angegebene Wert ist, desto wärmer erscheint das Licht (z.B. Kerze ca. 1500K, Kaltweiß ab 5500K). Also genau umgekehrt zur sonst üblichen Temperatur auf dem Thermometer in Grad Celsius. In diesem Fall wäre sicherlich auch ein ½ CTO ausreichend gewesen, aber mir gefällt ein Full CTO für die künstliche Sonne besser. Alternativ kann man auch CTS-Filter nehmen (Color Temperature Straw). Im Handel bietet der Musterkatalog der Firma LEE [Link: Google Bildersuche] ein reichhaltiges Angebot an professionellen Farbfiltern. Der Musterfächer beinhaltet ca. 200 Filter, die gerade so auf die gängigen Systemblitze passen. Für nur wenige Euro ein wahres Schnäppchen, wenn man bedenkt, was ein einzelne Folie für eine Studiolampe bzw. Studioblitz kostet. Farbfilter werden manchmal auch als Gel bezeichnet, da diese früher aus Gele hergestellt wurden.

Die Stahlwolle

Beim Probeshooting hatte ich etwas Stahlwolle mit einem Loch in der Mitte um das Objektiv gespannt. Das erzeugt schöne Lichteffekte und eine helle Vignette, sofern die Sonne direkt ins Objektiv strahlt. Der Systemblitz als Sonnenersatz ist dafür leider zu schwach, zumindest auf eine Entfernung von ca. 5m. Bei nächster Gelegenheit versuche ich mit einem zweiten Blitz, der mit geringem Abstand zur Kamera seitlich in das Objektiv blitzt, diesen Effekt zu provozieren.

Die Nachbearbeitung (Light Leaks & Flares)

Für das letzte Finish in Photoshop habe ich noch eine Textur mit Light Flares über das Bild gelegt. Nicht mit dem künstlich wirkenden Renderfilter in Photoshop, sondern richtig fotografierten Blendenflecken. So wird’s gemacht:

  • Ebene mit dem Flare auf Füllmethode „Negativ Multiplizieren“ stellen,
  • das Foto mit den Flares solange drehen und in der Größe anpassen, bis es zum Motiv passt,
  • Farbton und Deckkraft der Textur anpassen,
  • evtl. Bildwichtige Stellen, wie Gesichter etc., etwas ausmaskieren, fertig.

Eine große Sammlung an Light Leaks und Flares bekommst Du bei Krolop & Gerst. Dort kann man sich das kostenlose Schnupperpaket in der Lite-Version [Link: Shop Krolop & Gerst] herunterladen. Die Kaufvariante mit ein paar Tausend (!) Dateien aus Flares, Lightleaks, Beams und Effects lässt kaum noch Wünsche offen. In Video-Tutorials erklärt Martin, wie man diese einsetzt. Vielen Dank an Martin, Marc und euer Team dafür!

Wer seine Light Flares und Leaks selber herstellen und noch mehr Texturen sammeln möchte, findet weiterführende Literatur bei Tilo Gockels Fotopraxis.net.

Das Resümee

Sicherlich kann man heutzutage schon vieles in Photoshop & Co simulieren und nachträglich ausbessern. Aber ich finde den Look am authentischsten, wenn er direkt aus der Kamera kommt. Man braucht zwar keine Stahlwolle und keinen separaten Blitz, um Effekte wie Gegenlicht oder Blendenflecke zu produzieren; mit dem entsprechenden Knowhow kann man auch sehr gute Resultate in Photoshop erzielen. Aber so schön, wie sich das Blitzlicht um die Haare und Schultern des Pärchens und das Dekolleté der Braut legt, kriegt man das am Rechner niemals hin.

Hochzeitsshooting in Herrstein 2014, (c) Markus Holzhäuser

Noch eine Anmerkung zu den nachträglich hinzugefügten Light Leaks & Flares: Auf manchen Fotos im Netz werden diese angewandt ohne dass auch nur im Entferntesten irgendwo eine überstrahlende Lichtquelle zu erkennen ist. Wo sollen dann die Blendenflecke oder ausgebrannten Stellen herkommen? Auf den ersten Blick mag es cool aussehen, aber auch der unbedarfte Betrachter spürt, dass hier etwas nicht stimmt.

Falls Du mehr Fotos vom Shooting sehen möchtest, solltest Du einen Blick in meine Hochzeitsgalerie werfen.

Was sind Deine Erfahrungen mit Gegenlicht, Stahlwolle und Co.? Oder hast Du noch Fragen? Dann schreib es doch bitte in die Kommentare, damit auch andere Leser etwas davon haben. Vielen Dank!

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